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ZONE OF INTEREST -Interessengebiet

  • Writer: Sabine Reichel
    Sabine Reichel
  • Feb 26, 2024
  • 3 min read

Regie: Jonathan Glazer

Drehbuch: Jonathan Glazer

Darsteller: Sandra Hüller, Christian Friedel, Johann Karthaus, Luis Noah Witte, Nele Ahrensmeier, Lilli Falk, Max Beck u.v.a.

Basierend auf dem Roman „The Zone of Interest” von Martin Amis Produzent:innen: Jim Wilson und Ewa Puszcyńska

Im Verleih von LEONINE Studios

 FILMSTART: 29. Februar 2024

RATING: ***** 5 von 5 Sternen



Die Frau Höß hat schon ein tolles Leben, das sie in vollen Zügen geniesst! Eine grosse, hübsche, perfekt gepflegte Traum-Villa mit unterwürfigem Personal, 5 artige Kinder, einen treuen Hund (er ist immer dabei) und einen netten Mann, der allerdings einen viel zu stressigen Job in den Lagern nebenan hat. Aber der Rudi ist nun mal der Kommandant von Auschwitz - und da ist bis in die Nacht viel los.

Was genau, will Hedwig Höß nicht wissen, das ist nicht ihre ZONE OF INTEREST. Sie nimmt kaum den schwarzen Rauch, der oft zum Himmel steigt, zur Kenntnis, und überhört die ständigen Geräusche wie Hundegebell, nachts einfahrende Züge und verzweifeltes Menschengeschrei. Viel wichtiger sind anständiges und pünktliches Mittagessen, von jungen Mädchen mit ängstlichen Augen serviert, und der Garten, der mit viel Liebe gepflegt wird und Hedwigs Stolz ist. Rudi nennt sie scherzhaft "die Königin von Auschwitz". Und so fühlt sie sich auch. Da kann man sich schon mal aus den Kleiderbergen, die ihr ins Haus geliefert werden, einen sehr schicken langen Nerz aussuchen, der gut passt und sogar noch einen dunkelroten Lippenstift in der Manteltasche hat (den sie vor dem Spiegel ausprobiert). Mit solchen gespenstischen Szenen rammt dieses nach aussen ruhige und doch radikale Meisterwerk die vielen Schichten des Nazi-Terrors mit den täglichen Grausamkeiten im Jahre 1943 ins Bewusstsein. Und so ist der Film auch für 5 Oscars nominiert.

Inspiriert von Martin Amis’ gleichnamigen Roman, deckt der britische Regisseur Jonathan Glazer in THE ZONE OF INTEREST mit scharfem Blick die Banalität des Bösen auf. Der freudlose Film spiegelt in fröstelnden bleichen Farben die Perfektion wieder, mit der Auschwitz und der gesamte Holocaust durchgeführt wurden. Alles ist dabei; auch das dumpfe Grauen und das Leugnen der Verbrechen. Und das ist das Besondere und effektive am Film: nicht die Opfer, sondern die "ganz normalen" Täter stehen im Vordergrund und geben Einblicke ins Daily Life wie in einer RTL Reality Show, inklusive Partys und lustige Kindergeburtstage, Ehezank und intime Gespräche im Bett, ein Besuch von Hedwigs Mutti usw. Und gerade weil man genau weiss, was "Nebenan" passiert, wenn Vati Rudi Höss genervt vom anstrengenden Töten nach Hause kommt, ist die Wirkung tief verstörend und beschämend nicht nur für alle, die Deutsch sind. Es braucht keine Szenen in den Gaskammern und keine prügelnden SS-Männer, um den totalen Verlust von Menschlichkeit zu zeigen. Wie hat das passieren können, und wozu wären WIR fähig gewesen in solchen Zeiten? Eine unbequeme Frage....


Der Film gehört dem sagenhaft begabten neuen deutschen Superstar SANDRA HÜLLER, die Hedwig Höß IST wie man immer so schön bei herausragenden Darstellungen im Film sagt. Sowieso eine uneitle Schauspielerin, macht sie aus Frau Höß eine erschreckende Kreatur von kalter Seelenlosigkeit, die sich auf der Seite von Rechtschaffenheit und Privileg wähnt. Entsetzt ist sie über faulende Tulpenzwiebeln, nicht Massenmord hinter der Mauer. Schuld oder Mittäterschaft sind keine Optionen, die ihr je in den Sinn kommen, Mitgefühl ist lange tot. Immerhin galten im Nazireich nicht nur die Herren- sondern auch die Frauenrasse als besonders wertvoll. Und es wird gern vergessen, damals wie heute, dass Schuld geschlechtsneutral ist, und das Hitler ohne begeisterte Frauen nichts geworden wäre.

Natürlich ist auch CHRISTIAN FRIEDEL fantastisch als Rudolf Höß (bis auf die seltsame halb Nazi, halb Punk Frisur, die es so nie gab), den er nicht etwa wie einen blutrünstigen Brutalo, sondern einen gutmütigen, wenn auch sehr ambitionierten Bürokraten mit burn-out Syndrom spielt, der nur seine Pflicht tut. Und Befehl ist ja nun mal Befehl.

Wenn es dieser Tage einen Film gibt, den man als eine provozierende, bedrückende aber auch inspirierende Verpflichtung anschauen muss, dann ist es dieses Werk.


*Hier möchte ich mein 33 Jahre altes immer noch/wieder aktuelles zuerst in Amerika publiziertes Memoir empfehlen, das sich mit all diesen Themen und Fragen beschäftigt hat. Bei Amazon. Check it out.

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