DIE ERMITTLUNG
- Sabine Reichel
- Jul 25, 2024
- 3 min read
DARSTELLER: Rainer Bock, Bernhard Schütz, Clemens Schick, André Hennicke, Nicolette Krebitz, Peter Lohmeyer, Karl Markovics, Christiane Paul, Barbara Philipp, Andreas Pietschmann, Michael Schenk, Peter Schneider, Sabine Timoteo, Tom Wlaschiha u.v.a.
REGIE: RP Kahl - nach dem Theaterstück „Die Ermittlung“ von Peter Weiss
Produzent: Alexander van Dülmen
Im Verleih von LEONINE Studios
LÄNGE: 4 Stunden
RATING: 5 von 5 STARS *****
Das Wort "Betroffenheit" gehört zu den populärsten in der deutschen Sprache - und meistens nervt es kolossal, weil damit etwas Schreckliches ausgedrückt werden soll, wofür es keine Erklärung oder ein besseres Wort gibt. Bei dem grossartigen Film DIE ERMITTLUNG passt es perfekt. Nicht nur waren ich zusammen mit meinen Kollegen nach der Marathon-Pressevorführung von 4 Stunden so betroffen, dass wir uns nahezu wortlos nur anguckten und schwer schluckten. Man schämte sich, Deutsch zu sein, auch ohne Schuld. Ich selber finde das Scham eine gute Reaktion ist, denn sie verrät ein Gottseidank noch nicht verdrängtes Gefühl von Anteilnahme und Seelenqual.
Peter Weiss‘ „Oratorium in 11 Gesängen“ wurde 1965 uraufgeführt und basiert auf persönlichen Aufzeichnungen, Zeitungsartikeln und Protokollen des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963 bis 1965). Das Stück konfrontiert Täter und Opfer und lässt das Grauen in Auschwitz spürbar werden. Also, wenn man so will ein "Court Room Drama", aber eines, das ich spannender als jeden Krimi empfand.
Im Zentrum des Films stehen ein Richter, ein Verteidiger und ein Ankläger, die im Rahmen der Verhandlung auf 28 Zeuginnen und Zeugen treffen, die von ihren Erlebnissen und Beobachtungen in Auschwitz berichten. Die 18 Angeklagten werden im Prozess mit Beschreibungen der Zeuginnen und Zeugen konfrontiert und sollen Stellung beziehen.
Die Aussagen der Angeklagten und Zeugen sind schwer zu ertragen. Erstere aus Wut, Letztere aus Schmerz. Niederschmetternd ist auch in diesem schonungslosen Film - so wie bereits bei dem kürzlich preisgekrönten Meisterwerk "ZONE OF INTEREST" - die vielbenutzte Hanna-Ahrendt-Wahrheit von der "Banalität des Bösen". So wie auch die grössten Kriegsverbrecher schon im Nürnberger Prozess von 1946 ganz entrüstet jegliche Schuld von sich wiesen, man war ja nur Befehlen gefolgt, was hätte man denn machen sollen? kopieren die Angeklagten in Herrenmenschen Manier diese feige Ausrede auch hier. Sie machen sich sogar zu arroganten Richtern und beschuldigen die Zeugen und Zeuginnen der frechen Lüge und masslosen Übertreibung.
Es ist gut, in einem Film von so einer epischen Länge von 4 Stunden die Perfektionierung der Ausrede und des Leugnens , die das ganze Nazireich und den Holocaust so lange möglich machten, so ungefiltert vor Augen zu sehen und zu hören. Auch wenn es schwer zu ertragen ist. Ich finde, es ist ein Pflichtfilm!
Kudos für die ausnahmslos brillanten und ziemlich mutigen Darsteller, die auf jegliche Eitelkeit in ihren schmucklosen Rollen verzichteten. Die Tiefe und Authentizität der Aussagen ist dadurch verstörend bestechend. (Nach einer intensiven, vierwöchigen Probenzeit haben 60 Schauspieler den Text von Peter Weiss an fünf Drehtagen die einzelnen Gesänge im Studio Berlin Adlershof mit einem ausgefeilten visuellen Konzept in jeweils nur einer Einstellung gedreht.)
Wer die genaue Darstellerliste möchte, hier ist sie:
In den Hauptrollen sind Rainer Bock als Richter, Clemens Schick als Ankläger und Bernhard Schütz als Verteidiger zu sehen. Hochkarätig besetzt sind auch alle anderen Rollen, so werden die Zeuginnen und Zeugen von Andreas Anke, Filipp Avdeev, Elisabeth Duda, Marc Fischer, Arno Frisch, Attila Georg Borlan, Dorka Gryllus, Marek Harloff, André Hennicke, Marcel Hensema, Rony Herman, Marco Hofschneider, Robert Hunger-Bühler, René Ifrah, Eva Maria Jost, Christian Kaiser, Klaudiusz Kaufmann, Nicolette Krebitz, Andreas Lechner, Peter Lohmeyer, Jiří Mádl, Karl Markovics, Thomas Meinhardt, Robert Mika, Axel Moustache, Dirk Ossig, Axel Pape, Christiane Paul, Barbara Philipp, Andreas Pietschmann, Ralph Schicha, Peter Schneider, Andreas Schröders, Axel Sichrovsky, André Szymanski, Sabine Timoteo, Tom Wlaschiha, Mark Zak und Matthias Zera verkörpert. In den Rollen der Angeklagten standen Thomas Dehler, Nico Ehrenteit, Wilfried Hochholdinger, Christian Hockenbrink, Timo Jacobs, Ronald Kukulies, Lasse Myhr, Christian Pfeil, Torsten Ranft, Michael Rotschopf, Frank Röth, Matthias Salamon, Niels Bruno Schmidt, Tristan Seith, Michael Schenk, Arndt Schwering-Sohnrey, Adam Venhaus und Till Wonka vor den Kameras.
DIE ERMITTLUNG ist eine Produktion von Alexander van Dülmen, Film&Mischwaren in Co-Produktion mit ARTE, BR und WDR sowie in Co-Operation mit A Company Film Licensing und wurde gefördert vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der Film- und Medienstiftung NRW, die BKM, der Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern sowie der FFA und dem DFFF.
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