DAS LEHRERZIMMER
- Sabine Reichel
- Jun 5, 2023
- 3 min read
REGIE: İlker Çatak
Drehbuch: İlker Çatak und Johannes Duncker
Kamera: Judith Kaufmann (CORSAGE)
DARSTELLER*RINNEN: Leonie Benesch, Michael Klammer, Rafael Stachowiak, Eva Löbau u.v.a.
Deutschland 2022, Länge: 98 Min.
Im Verleih von ALAMODE
RATING: ***** 5 Sterne von 5

Also ich persönlich war "frech, faul und störte den Unterricht" mit Schwatzen, musste als Strafe "draussen" stehen (wo immer die Rektorin zufällig vorbei kam) und musste mir mit 16 Jahren sehr leichten Lippenstift abwischen!! Wie niedlich harmlos, oder? Da wirkt der fantastische, ziemlich verstörende Film DAS LEHRERZIMMER wie ein Schulfilm from hell.
Carla Nowak (LEONIE BENESCH), ist eine sehr eifrige und engagierte Sport- und Mathematiklehrerin und tritt ihre neue Stelle am Emmy-Noether-Gymnasium (Gymnasien sind meistens nach Frauen benannt, schon gemerkt?) an. Im neuen Kollegium fällt sie durch ihren Idealismus und ihre Ernsthaftigkeit auf. Und sie ist SEHR neugierig. Als es an der Schule zu einer Reihe von Diebstählen kommt und einer ihrer ca. 14-jährigen Schüler verdächtigt wird, beschließt sie, Detektivin zu spielen. Dazu spioniert sie etwas in ihrer typisch sorgfältigen Art nach dem Täter wie ein Pro und macht eine schockierende Entdeckung.
Ihre Methoden kommen nicht gut an. Zwischen empörten "Helikopter"-Eltern, rechthaberischen Kollegen und angriffslustigen Schülern versucht Carla zu vermitteln, wird dabei jedoch schonungslos mit den Strukturen des Systems Schule konfrontiert. Je verzweifelter sie sich bemüht, alles richtig zu machen, desto mehr droht die junge Lehrerin daran zu zerbrechen.
Leonie Benesch („Der Schwarm“, DAS WEISSE BAND) kreiert durch ihre fesselnde Darstellung einer jungen Pädagogin, die mehr und mehr zwischen die Fronten gerät, eine dichte Atmosphäre, die von Anfang an in den Bann zieht. Sie hat eine sehr direkte und disziplinierte Ausstrahlung, ihr forschender Blick aus grünen Augen in dem leicht sommersprossigen Gesicht (also eine echte Rotblondine?) ist für den Zuschauer ansteckend, denn er verführt dazu, die Handlung durch ihre Augen intensiver zu erleben.
Anhand ihrer Geschichte hinterfragt der Film auf kritische Weise unsere aktuelle Debattenkultur und entfacht somit eine grundlegende Diskussion rund um Wahrheit und Gerechtigkeit. Mit DAS LEHRERZIMMER gelingt dem preisgekrönten Regisseur İlker Çatak (ES GILT DAS GESPROCHENE WORT) ein elektrisierendes Werk über den Mikrokosmos Schule als Spiegel unserer Gesellschaft. Und der zeigt ein ziemlich schlimmes Bild, denn DAS LEHRERZIMMER wirkt wie ein knalliger Dokumentarfilm, ein eye-opener, eine Bestandsaufnahme von einem Beruf und einem Killer-Kosmos von gequälten und ratlosen Pädagogen, der zusehends an Signifikanz verliert, da immer mehr Kinder mit 8 Jahren weder lesen noch schreiben können! Ich finde es skandalös und unvorstellbar!
Vielleicht war es im Lehrerzimmer schon immer so mit all den Intrigen, Lügen, Neid und Klatsch und wir braven Unschuldslämmer der 60er Jahre ahnten nur nichts von den verborgenen Dramen der damals furchteinflössenden sehr strengen Roststift-Brigade, die eine riesige Power über unser Leben hatte. Wenn die Schule heute so irre anstrengend ist wie es aussieht, dann bin ich fast froh, dass ich die wirklich piefigsten, langweiligsten Lehrer und Lehrerinnen hatte, die mich eher nervten als bedrohend zu wirken. Aber wir sind scheinbar die gebildetste und bravste Generation, denn wir können doch tatsächlich lesen, schreiben und rechnen.
DAS LEHRERZIMMER feierte auf der Berlinale 2023 in der Sektion Panorama seine Weltpremiere und erhielt das Europa Cinemas Label als bester europäischer Film sowie den CICAE Arthouse Cinema Award,
Und natürlich gewann Leonie Benesch dieses Jahr den Deutschen Filmpreis 2023 als beste Darstellerin für die Rolle als aufmüpfige Lehrerin. Ganz klar, Leonie ist der neue deutsche Shooting Star. Mit Recht.
TRAILER: https://www.youtube.com/watch?v=Ggw1wyC5gc0
Comments