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TÁR

  • Writer: Sabine Reichel
    Sabine Reichel
  • Mar 1, 2023
  • 3 min read

Updated: Mar 3, 2023

Regie und Drehbuch: Todd Field

Darsteller*innen: Cate Blanchett, Nina Hoss, Noémie Merlant, Zethphan Smith-Gneist, Mark Strong, Allan Corduner

Kamera: Florian Hoffmeister

Länge: 2 Stunden 40 Min

Verleih: UNIVERSAL Pictures

RATING: 5 Stars *****

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Es ist immer noch selten, dass extrem profilierte, begabte, erfolgreiche und ehrgeizige Karrierefrauen nicht nur als Monster und "fucking Bitches" betitelt werden. Und der fantastische Film TÀR von Todd Field entfernt wenig von diesem Label von der magnetischen Hauptfigur.

Lydia Tár (Cate Blanchett), die glamouröse Star-Dirigentin der Berliner Philharmonie ist auf jeder Ebene provozierend: genial, schön, lesbisch, klug, kühl und doch flammend heiss, wenn es um Musik geht. Hört sich gut an, oder? Eigentlich stehen da ja immer zu 99% pompöse Männer wortwörtlich im Rampenlicht. Und wieso gibt dieses besessene Bossy Beast Lydia, angetan mit ihrem makellos schicken Anzug, den Ton da an und brilliert mit Taktstock und überragendem Wissen? Vielleicht auch, weil sie ein Protégé von Leonard Bernstein war und selbstredend einen Grammy, Oscar und Emmy hat, ist doch klar!

Auch ihr Privatleben ist von aussen eine stilsichere Angelegenheit mit dem üblichen kosmopolitischen Künstlerflair. Tolle Altbauwohnung in Berlin, in der sie mit ihrer geduldigen Freundin Sharon Goodnow (Nina Hoss), einer begabten Geigerin, und einem hübschen kleinen Adoptivkind mit wilden Locken und dunkler Haut wohnt.

Aber so richtig funktioniert die Beziehung nicht mehr. Sie ist kühl und angestrengt, denn Lydia hat zwar eine Riesenkarriere, aber keine Zeit. Und noch weniger, seit die superselbstbewusste junge russische Cellistin Olga (Sophie Kauer) Lydia mit neuen radikalen Ideen konfrontiert. Olga hat kein Geld, lebt wie ein Punk und im Keller, aber hat ein Talent, das Lydia geradezu zum Vibrieren bringt. Und so gibt sie Olga den neuen heissen Job im Orchester - und Freundin Sharon kriegt so einen gewissen resignierten Blick...


Dass extrem erfolgreiche Menschen eigentlich immer irgendwie über Leichen gehen oder zumindest eine im Keller haben müssen, gilt ja als fast erwiesen. Besonders wenn Frauen solche Power haben, dann ist doch klar, da stimmt was nicht ganz. Bei Lydia, eher keine Sisterhood-Feministin, sind es alte Geschichten. Wir lernen, dass es eine auszubildene junge Dirigentin, die Lydia anbetete - bis sie von der Celebrity Chefin abserviert und ihre Karriere aktiv blockiert wurde. Und es scheint da ein Muster zu geben, denn man munkelt, dass Lydia eine "Serientäterin" auf der Ebene ist. Auch ihre persönliche Assistentin Francesca, (Noémie Merlant), die alle Forderungen der Dirigenten-Diva eifrig erfüllt, guckt so ängstlich wie ein Reh im Fernlicht. Kennt sie Lydias Vergangenheit und war sogar selber mal ein Opfer von schäbiger Behandlung?

Aber Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall, und die Axt schwingt per social media, denn eine Anklage der abservierten Cellistin sickert durch. Lydia muss durch einen shit storm und die blasierte Aura fängt an zu splittern. Als sie mit Olga im Schlepptau nach New York reist, ist Twitters hashtag beissend "Tàrs Frischfleisch".

Der Rest des Films ist ein sehr überraschender "downfall" der einst so grandiosen Herrscherin. Kurz gesagt: sie muss in einem fremden Land sehr kleine Brötchen backen! Viele mögen applaudieren. Ich fand's unfair, weil "Bad Girls" immer zu hart bestraft werden.


Cate Blanchett ist einfach brillant als kontroverse, wenig "sympathische" Frauenfigur, und das ist für mich der Triumph des Films. Ich verstehe sie, weil sie trotz einiger echter Makel eine mutige Pionierin ist. Und die werden selten nur geliebt. Cate zieht alle Register, sie ist majestätisch und arrogant und hat die absolute Kontrolle, als Filmfigur und vor allem Schauspielerin. Sie leuchtet! Sich so präzise und authentisch in der Welt der klassischen Musik auszudrücken und so meisterhaft den Dirigentenstab zu halten, ist eine Leistung von aussergewöhnlicher Disziplin und ja, Liebe zur Musik. Und doch, dieser Film ist trotz der prallen Musikexpertenfülle und verführenden Einladungen zum klassischen Musikgenuss (nicht mein Ding) kein Film über Musik sondern Macht.


 
 
 

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